Artikel 7 unseres Grundgesetzes sagt in Absatz 4: Es ist ein verfassungsmäßiges Grundrecht aller Eltern, eine freie Schule zu gründen und ihr Kind dorthin und nicht auf eine staatliche Schule zu schicken. Dieses Privileg als Grundrecht – noch vor den Grundrechten auf Demonstrationen, auf Gründung von Vereinigungen, auf Freizügigkeit und freie Berufswahl und die Unverletzlichkeit der Wohnung – zeigt die hohe Bedeutung, die das Grundgesetz unseren freien Schulen gibt. Und eine Bestandsgarantie, denn für Grundrechte gilt nach Artikel 19 Absatz 2 des Grundgesetzes: „In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.“
Dass das gesamte Schulwesen „unter der Aufsicht“ des Staates steht, war bereits in der Weimarer Republik so. Und die in Artikel 7 Absatz 4 und 5 genannten Voraussetzungen für die Wahrnehmung dieses Grundrechts sind gerade für Christen Selbstverständlichkeiten: die Lehrer sollen wirtschaftlich gesichert sein, die Schulen sollen „in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen“ (aber: sie müssen nicht gleich sein!) und die Schulen sollen für Schüler aus allen Einkommensgruppen zugänglich sein. Wenn diese Bedingungen erfüllt werden, „ist die Genehmigung zu erteilen“ – ohne „Wenn und Aber“ des Staates.
Das Bundesverfassungsgericht hat dazu 1969 bestätigend festgestellt, dass der Staat „für die Vielfalt der Formen und Inhalte“ an Schulen sorgen müsse. Und: Der Unterricht freier Schulen dürfe und solle „eigenverantwortlich geprägt und gestaltet“ sein (BVerfG 27, S. 200).
Bei „Volksschulen“, die es vor 70 Jahren noch gab, und die heute weitestgehend Grundschulen sind, gibt es in Artikel 5 etwa, das wie eine Einschränkung aussieht, aber in den meisten Bundesländern tatsächlich große Freiheiten ermöglicht.
Wie ist das möglich? Aus der Einschränkung, dass freie Grundschulen nur als Bekenntnisschulen, Schulen mit „pädagogischem Interesse“ oder Weltanschauungsschulen gegründet werden dürfen, hat das Bundesverwaltungsgericht 1992 in Grundlagenurteilen die Anforderung abgeleitet, dass Bekenntnisschulen vom Staat immer dann genehmigt werden müssen, wenn ein Bekenntnis von Eltern, Schülern und Lehrern vorliegt, das die Schule und den gesamten Unterricht prägt (BVerwG, 19.02.1992 – Aktenzeichen 6 C 3/91).
Wir dürfen also an Bekenntnisschulen nicht nur unseren Glauben leben und zeigen, sondern wir müssen es! Sobald eine Bekenntnisschule aufhören würde, Jesus und die Bibel zu bekennen, müsste sie von Rechts wegen geschlossen werden. (In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wo es noch staatliche Bekenntnisschulen gibt, wird das Grundrecht auf Gründung einer Grundschule leider insofern eingeschränkt, dass freie Bekenntnisschulen nur gegründet werden dürfen, wenn es in der Kommune keine staatliche Bekenntnisschule gibt.)
Aus Artikel 7 Grundgesetz und dem Urteil des Bundesverwaltungsrichtes ergeben sich für uns Bekenntnisschulen daher große Freiheiten: nur die Lehrziele, die Regeln zur Schulreife, für Versetzungen/Schulabschlüsse sind vom Staat vorgegeben und werden kontrolliert, ebenso die Qualifikation der Pädagogen.
Die Inhalte sind weitgehend frei – bis hin zur ausdrücklichen Freiheit z.B. im sächsischen Privatschulgesetz (§ 3), dass bei freien Schulen „Abweichungen in … den Lehrstoffen möglich“ sind.
Das evangelische Bekenntnis, richtig in Trägersatzungen und pädagogischen Konzepten verankert, hat deshalb verfassungsrechtlich Vorrang vor gesellschaftlichen Modeerscheinungen wie „Gender“, die mit dem christlichen Menschenbild nicht übereinstimmen. Zu Gender und Diversity hat z.B die Landesregierung Berlin klar festgestellt: „Der Umgang mit Diversity und sexueller Vielfalt darf genehmigten Ersatzschulen mit Blick auf die grund- gesetzlich garantierte Privatschulfreiheit nicht vorgeschrieben werden.“
Dank dieser Freiheiten dürfen wir heute in mehr als 170 Bekenntnisschulen täglich mehr als 30.000 Kinder und Jugendliche unterrichten und erziehen – und bekommen dafür sogar staatliche Gelder. Zwar ist diese finanzielle Zuwendung geringer als die der staatlichen Schulen, aber dennoch im europäischen Vergleich fast einzigartig: Nur in den Niederlanden sind christliche Schulen in freier Trägerschaft bessergestellt – in Frankreich und den katholisch geprägten Urkantonen der Schweiz erhalten sie dagegen praktisch keine Förderung.
Zum 70. Geburtstag unseres Grundgesetzes haben die evangelischen Bekenntnisschulen in freier (Eltern-)Trägerschaft deshalb viel Grund zur Dankbarkeit!
Prof. Dr. Wolfgang Stock, Generalsekretär des VEBS