Fünf Jahre lang hatte damals die hamburgische Landesregierung versucht, die Grundschule der Elterninitiative zu verhindern. Begründung: Bekenntnisschulen dürften nur von den großen Kirchen gegründet werden. Seit dem 19. Februar 1992 ist klar: Diese Behördenmeinung war falsch. „Ein jegliches Bekenntnis“, beispielsweise die „Gemeinsame Basis des Glaubens der Evangelischen Allianz“, ist als Bekenntnisgrundlage für eine freie Grundschule als Bekenntnisschule ausreichend.
Diese Klarstellung der Verfassungsbestimmung in Artikel 6 unseres Grundgesetzes führte zur Gründung vieler weiterer Schulen durch evangelische Eltern: 30 Jahre später sind es allein mehr als 150 Bekenntnisschulen, die als Bekenntnisgrundlagen die Bibel, das Apostolische Glaubensbekenntnis und die Glaubensbasis der Evangelischen Allianz haben.
So wichtig das Urteil für die Gründung der vielen christlichen Bekenntnisschulen war – es ist bei vielen der damaligen Schulgründern und erst recht bei deren Nachfolgern schnell in Vergessenheit geraten. Die Schulen schienen gar nicht glauben zu können, dass ein Urteil des höchsten deutschen Gerichts für Verwaltungsfragen ihrem Anliegen 100 Prozent Recht gegeben hatte!
Tatsächlich hatte das Bundesverwaltungsgericht das über Jahrzehnte herrschende Verwaltungsverständnis zum Artikel 7 Absatz 5 Grundgesetz komplett verworfen. Künftig sollte es keineswegs länger darauf ankommen, ob eine Schule das Bekenntnis einer evangelischen Landeskirche akzeptieren wollte – „freie“ evangelische Schulen sind erlaubt. Ein „jegliches Bekenntnis“, für das die Bekenntnis- und Glaubensfreiheit des Artikel 4 Absatz 1 Grundgesetz gilt, kann seit 1992 zur Grundlage einer Bekenntnisschule gemacht werden.
Was ein Bekenntnis ausmacht und wie es definiert wird, hat das Bundesverwaltungsgericht am 19. Februar 1992 für Grundschulen in zwei Urteilen zementiert: Ein Urteil zu Weltanschauungsschulen (der Antrag auf Genehmigung einer Scientology-Schule wurde abgelehnt, weil Scientology keine „Weltanschauung“ sei) mit dem Aktenzeichen 6 C 5.91 und ein Urteil zu „unserer“ Bekenntnisschule Hamburg (dem Wunsch der Schulgründer wurde Recht gegeben) mit dem Aktenzeichen 6 C 3.91.
Das Gericht hat in „unserem“ Urteil Bezüge zu seinem Urteil zu den Weltanschauungsschulen gemacht, daher fügen wir an den entsprechenden Stellen die Kernsätze des Urteils zu Weltanschauungsschulen ein – um genau zu sein, sprechen wir aber immer von den beiden Urteilen dieses Tages.
Aber: Zu Rechten gehören auch Pflichten bzw. hier Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen! Das Bundesverwaltungsgericht sagt eines sehr deutlich: Eine Bekenntnisschule braucht zwingend eine weitgehend homogene Bekenntnisgemeinschaft. Das heißt: Nicht-gläubige Eltern und deren Kinder sind als „stille“ Minderheit erlaubt, wenn sie
- unser Bekenntnis zumindest kennenlernen wollen („akzeptieren“ reicht nicht)
- und mit ihrem Anderssein das Bekenntnishafte des Schullebens nicht stören.
Anders ausgedrückt: Der Schulalltag und der Unterricht einer Bekenntnisschule muss von ihrem Bekenntnis geprägt sein (Leitsatz 1 des Urteils) – ohne Widerspruch derer, die unser Bekenntnis (noch) nicht teilen. Fehlt oder verschwindet diese Bekenntnisprägung, so müsste eine solche Grundschule von den Behörden geschlossen werden!
Diese zwingenden Voraussetzungen für freie Bekenntnisschulen sind allerdings nach dem Urteil von 1992 bald nicht mehr so genau beachtet worden – weder bei Schulgründern noch bei Behörden. Die Länder wandten bis auf Bayern das Urteil zwar im Hinblick auf das mögliche Bekenntnis an, blieben im Übrigen aber mehr oder weniger bei den schon bisher verlangten Bedingungen, wonach (frühere kirchliche) Bekenntnisschulen als Ersatzschulen den öffentlichen Schulen weitgehend zu entsprechen hatten.
Paukenschlag des Verwaltungsgerichts Stuttgart 2003: Islamische Schulgründung nicht genehmigungsfähig!
Das änderte sich 2003, als das baden-württembergische Kultusministerium den Genehmigungsantrag für eine in Stuttgart geplante islamische Bekenntnisschule ablehnte und die Kläger mit ihrer Klage dagegen trotz guter Rechtsanwälte schon in der ersten Instanz scheiterten, weil sie die 1992er Urteile nicht beachtet hatten. Anders als die mutigen Hamburger Eltern gingen sie nicht in Berufung, sondern kapitulierten.
Denn das Urteil war „wasserdicht“: Das Gericht hatte seine Entscheidung auf der Grundlage der Urteile von 1992 mit dem Fehlen von gleich drei wesentlichen Voraussetzungen aus dem Grundgesetz begründet, die 1992 betont wurden:
- der Genehmigungsantrag des Vereins konnte nicht dem Willen der Schülereltern zugerechnet werden (eine freie Grundschule muss von Eltern gegründet werden),
- eine bekenntnismäßige Prägung der Schule und des Unterrichts war nicht ausreichend beschrieben worden
- und ein gemeinsames Bekenntnis (hier: islamisch) und vor allem eine entsprechende Schulgemeinschaft von Eltern, Kindern und Lehrern war für das Gericht nicht zu erkennen.
Urteile des Bundesverwaltungsgerichts von 1992 erstmals gründlich angewendet
Genau dies waren und sind die Voraussetzungen für Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen im Sinne von Artikel 7 Absatz 5 Grundgesetz, vom Bundesverwaltungsgericht vor 30 Jahren in aller Deutlichkeit präzisiert.
Als es um die oben erwähnte islamische Grundschule für Stuttgart ging, sahen die Stuttgarter Schulverwaltung und das Verwaltungsgericht das plötzlich sehr klar. Eine Homogenität des Bekenntnisses der Eltern und Schüler und die durchgängige bekenntnismäßige Prägung der Schule und des Unterrichts wären bis dahin sicherlich überall eher kritisch aufgenommen worden. Hätte eine Schule damit ernst gemacht, hätte sie vermutlich den Vorwurf bekommen, sie würde Eltern und Schüler mit anderem oder keinem Bekenntnis diskriminieren, verstoße gegen Artikel 3 Grundgesetz („… Niemand darf wegen … seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden…“) oder sei „fundamentalistisch“ und jedenfalls abzulehnen.
Von dieser islamischen Grundschul-Gründungsinitiative aber verlangten die Stadt und ihr folgend das Verwaltungsgericht nun aber, elf Jahre nach dem 1992er-Urteilen, die Homogenität des Bekenntnisses und die Darlegung einer durchgängigen bekenntnismäßigen Prägung. Außerdem verlangten die Behörden nachzuweisen, dass die ersten Schülereltern Muslime waren und sie letztlich auch die Schule beantragten. Zum anderen sollte genau dargelegt werden, dass und wie sich ihr islamisches Bekenntnis auf den Unterricht und die Erziehung in der geplanten Schule auswirken sollte. Da die Gründer dies auch nachträglich nicht beschreiben konnten, musste die Gründung dieser Schule scheitern.[1]
Die staatlichen Schulverwaltungen reagieren allmählich
Die islamischen Kläger fühlten sich dadurch ungerecht behandelt. Ihr Vorwurf, christliche Bekenntnisschulen habe man großzügig genehmigt (weil die Einhaltung der Bedingungen nicht wirklich kontrolliert worden war) traf zu, half den Klägern in ihrem Verfahren jedoch nicht – ein Recht auf eine zwar gleiche, aber unrechtmäßige Behandlung („Gleichheit im Unrecht“) gibt es in Deutschland nicht.
Der Ausgang des Prozesses führte in vielen Bundesländern allmählich zu genaueren Überprüfungen der vom Bundesverwaltungsgericht für Bekenntnisschulen verlangten Voraussetzungen. Zunehmend verlangte man nun Erklärungen der Eltern des Gründungsjahrganges, die nicht mehr nur mit dem pädagogischen Konzept und dem Bekenntnis der Schule „einverstanden“ sein mussten, sondern sich auch persönlich und ausdrücklich hinter das im Genehmigungsantrag des Schulvereins beschriebene Bekenntnis zu stellen hatten.
In Baden-Württemberg kamen zudem (berechtigte) Fragen nach den Bekenntnissen der Eltern, Kinder und Lehrer und oft die Beanstandung, aus den vorgelegten Satzungen der Schulvereine gehe nicht eindeutig hervor, inwieweit die Beteiligung der Eltern am Schulbetrieb als Bekenntnisgemeinschaft gewährleistet sei. Wiederholt wurde verlangt, den der Rechtsprechung allerdings nicht ganz richtig entsprechenden Passus in die Satzung aufzunehmen: „Pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern identifizieren sich mit der Schule, tragen gemeinsam das Schulprofil und entwickeln es weiter.“ Eine Bekenntnisschule, die diese Veränderungen der Rechtsauffassungen gar nicht glauben konnte, bekam die freundliche Antwort von ihrer Schulbehörde: „Heute ticken die Uhren etwas anders als damals“ – anders als vor 1992. Die Urteile begannen zu wirken.
Bestehende Schulen müssen alle rechtlichen Voraussetzungen Tag für Tag erfüllen
Seitdem sollte es für alle Verantwortlichen klar sein, dass sie die rechtlichen Grundlagen ihrer freien Bekenntnisschulen genau kennen und auf Dauer beachten müssen. Für Bekenntnisschulen der Grund- und Eingangsstufe gilt dies besonders, weil sie – so will es unser Grundgesetz – ohne die Zulassungsbedingungen für die „Ausnahmegenehmigung“ in Artikel 7 Absatz 5 Grundgesetz verboten wären. Aber auch für weiterführende Schulen ein und desselben Schulvereins kommen wegen der zumeist für alle Schularten getroffenen Festlegungen in den Vereinssatzungen nicht viele Abweichungen in Betracht.
Wichtig ist ferner, dass dies nicht nur für die Genehmigungsverfahren neuer Schulen Bedeutung hat, sondern tagtäglich von bestehenden Schulen erfüllt werden muss. Die verfassungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen müssen nämlich nicht nur zu Beginn einer Schule erfüllt sein, sondern auf Dauer.
Dass diese Voraussetzungen wirklich erfüllt sind, hat auch für den Religionsunterricht und auch für andere Rechtsgebiete (z.B. die Diskriminierungsverbote des § 9 AGG und die Arbeitnehmermitbestimmung nach § 118 Betriebsverfassung) Bedeutung!
Die Urteile zeigen, wie wunderbar unsere Verfassung ist
Das Lesen der Urteile lohnt sich auch über diese konkreten Zwecke hinaus, denn das Gericht beleuchtet geradezu lehrbuchartig die Rechtsgrundlagen freier Schulen in Artikel 7 Grundgesetz.
Um das Lesen zu erleichtern, stellt der VEBS den Text der Urteile auf den folgenden Seiten umsichtig gekürzt und mit erklärenden Randbemerkungen zur Verfügung.
Den Anfang seiner neuen Rechtsprechung hatte das Bundesverwaltungsgericht am 19. Februar 1992 mit seinem Urteil zur Genehmigung einer Weltanschauungsschule (Aktenzeichen 6 C 5.91) gemacht. Durch das weitere Urteil vom selben Tag (Aktenzeichen 6 C 3.91) ist die Hamburger Schule als Bekenntnisschule genehmigt worden.
Da die Begriffe Weltanschauung und Bekenntnis sich rechtlich nur darin unterscheiden, dass das Bekenntnis im Gegensatz zur Weltanschauung einen Gottesbezug hat, gilt für beide Schultypen also weitgehend das gleiche Recht, ähnlich für Schulen mit besonderem pädagogischen Profil.
Bekenntnisschulen müssen anders, aber „gleichwertig“ sein
In den „Leitsätzen“ der Urteile sind die wesentlichen Regelungen für die Bekenntnisschulen zusammengefasst.
Die Forderungen des Gerichts,
- dass das Bekenntnis der Eltern maßgeblich ist,
- dass sie ein gemeinsames Bekenntnis haben müssen („Homogenität des Bekenntnisses der Eltern, Schüler und Lehrer“),
- dass die Schule und der Unterricht durchgängig von diesem Bekenntnis geprägt werden müssen
- und dass eine dieses Bekenntnis tragende Gemeinschaft mit Verbindlichkeit zu gewährleisten ist (Schulverein als Bekenntniswahrer),
muss in jeder Schule bekannt sein und zwingend eingehalten werden.
Umgekehrt dürfen wir dankbar sein dafür, dass das Bundesverwaltungsgericht den Begriff der Lehrziele für die Gleichwertigkeitsforderung des Artikel 7 Absatz 4 Grundgesetz denkbar weit ausgelegt hat: Er umfasst sowohl die Erziehungsziele als auch die zu vermittelnde Qualifikation.
Eine Bekenntnisschule darf aufgrund ihrer bekenntnismäßigen Prägung in den Erziehungszielen oder der zu vermittelnden Qualifikation nicht hinter entsprechenden öffentlichen Schulen zurückstehen, das hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt (diese Unterstellung der Landesregierung damals wird heutzutage auch wohl niemand mehr wagen – im Gegenteil loben Bürgermeister landauf, landab die Qualität der freien christlichen Bekenntnisschulen). Eine bekenntnismäßige Prägung dürfe niemals zur Folge haben, dass es zu „Defiziten“ bei den allgemeinen Bildungsgütern komme oder die Art und Weise der Vermittlung des Lernstoffs zu einer Voreingenommenheit der Schüler führe (keine „Deformationen“).
Eigene Erziehungsziele einer Bekenntnisschule
Schließlich präzisierte das Gericht das Recht der Ersatzschulen, „neben den vom Staat vorgegebenen Lehrzielen einschließlich der Erziehungsziele auch andere, den staatlichen Erziehungszielen jedenfalls nicht widerstreitende Erziehungsziele zu verfolgen, zumal die staatlichen Erziehungsziele typischerweise Raum ließen für eine inhaltliche Auffüllung im konkreten Unterricht“.
Vertieft eingegangen ist es dabei auf das allgemein verbindliche staatliche Erziehungsziel, „den Schülern zu helfen, sich selbständig zu orientieren und ihr Leben in eigener Verantwortung zu führen, sowie ihre individuelle Wahrnehmungs- und Urteilsfähigkeit zu entwickeln und zu behaupten.“
Genau das ist unser Anliegen, wenn wir junge Menschen befähigen wollen, in der Welt den Glauben an Jesus zu leben.
Die Bedeutung des Toleranzgebots für Bekenntnisschulen
Besondere Beachtung unter den Erziehungszielen fand das Toleranzgebot. Die Urteilsbegründung hierzu war der einzige Punkt, in dem die 1992er Urteile des Bundesverwaltungsgerichts bei weltlichen Juristen auf Kritik gestoßen sind. Es verlangt „bei verfassungskonformer Anwendung speziell auf Bekenntnisschulen lediglich dasjenige Maß an Duldsamkeit gegenüber anderen, abweichenden Überzeugungen“, „das Voraussetzung für eine offene Auseinandersetzung mit anderen Überzeugungen ist“.
Folgende für die Schulen wesentlichen Sätze schließen sich an: „Jedes „Bekenntnis“ ist seiner Natur nach darauf angelegt, in der Überzeugung von der Richtigkeit der eigenen Vorstellungen und Wertungen sich zu diesen zu bekennen und für sie zu werben. Damit setzt Artikel 7 Absatz 4 Satz 3 Grundgesetz ein für das Bekenntnis werbendes Erziehungsziel als selbstverständlich und somit zulässig voraus“[2].
Damit ist die Urteilsbegründung auch an dieser Stelle zu einer wertvollen Rechtsauslegung der Bekenntnisschulen geworden.
Auch von einem Autofahrer, der kein Jurist ist, kann die Kenntnis der StVO verlangt werden
Die Urteile könnten den Eindruck erwecken, die Befassung mit diesen Rechtsfragen erfordere juristische Fähigkeiten, die aber doch von Schulgründern, Schulvorständen, Schulleitern und Lehrkräften in freier Trägerschaft nicht verlangt werden könne…
Doch, das kann verlangt werden!
Auch Autofahrer, Kaminkehrer und Metzger sind keine Juristen, und sie alle müssen dennoch die für sie geltenden Straßenverkehrsordnung, Brandschutzvorschriften oder Hygienevorschriften kennen und genau einhalten!
Die Vereinsorgane und Mitarbeiter müssen sich diesen Anforderungen stellen, wenn sie die Existenzberechtigung ihrer Schulen mit ihrem besonderen Charakter nicht gefährden wollen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht aus seinen Urteilen von 1992 aktuell sogar für den Religionsunterricht Konsequenzen
30 Jahre sind eine lange Zeit – ob das Bundesverwaltungsgericht eine oder zwei Richter-Generationen später heute noch genauso urteilen würde wie damals??? Eine berechtigte Frage, denn Rechtsprechung „entwickelt“, d.h. ändert sich oft.
Aber nein – das Bundesverwaltungsgericht hat seine Rechtsprechung mit einer Entscheidung zum Religionsunterricht 2019 punktgenau fortgeführt3! Mit diesem Beschluss lehnte das Gericht ein Revisionsverfahren der Landesregierung Baden-Württemberg gegen ein für sie negatives Urteil ab, weil darüber bereits 1992 geurteilt wurde und das Gericht auch mit jüngeren Richtern daran ausdrücklich, ja sogar nachdrücklich festhält.
Artikel 7 Absatz 3 Grundgesetz schreibt den Ersatzschulen Religionsunterricht nicht als Unterrichtsfach vor
Dieser beachtlichen Begründung wegen drucken wir auch den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts von 2019 zum Religionsunterricht ab – obwohl er für keine der Schulen im VEBS eine unmittelbare Bedeutung hat, denn das Urteil betrifft nur Ersatzschulen, die nur „genehmigte“ Ersatzschulen nach baden-württembergischem Rechtsbegriff sind (in Nordrhein-Westfalen spricht man von „vorläufiger Erlaubnis“); für diese Schulen gilt der Beschluss allerdings bundesweit. Alle Schulen im VEBS sind aber „anerkannte“ Ersatzschulen (in NRW „genehmigte“ Ersatzschulen) oder streben dies nach ihrer Gründung in kürzester Zeit an.
Aber auch für „anerkannte“ Ersatzschulen läuft ein entsprechendes Verwaltungsgerichtsverfahren, wieder in Baden-Württemberg. Aktuell wartet der Kläger auf einen Gerichtstermin in der zweiten Instanz – danach ist der Gang zum Bundesverwaltungsgericht sicher, bis zur Mitte des Jahrzehnts wird dort ein endgültiges Urteil gefällt werden.
In dem Beschluss von 2019 hat das Bundesverwaltungsgericht bestätigt, dass eine genehmigte Ersatzschule nicht verpflichtet ist, das landeskirchliche Unterrichtsfach „Religion“ anzubieten. Artikel 7 Absatz 3 Grundgesetz[3] gelte für Ersatzschulen weder direkt noch indirekt, weil der Staat die „Gleichwertigkeit“ dieser Schulen wegen Fehlens von Religionsunterricht nicht verneinen könne.
Über den Leitsatz des Urteils dazu dürfen sich Bekenntnisschulen freuen: „Eine private Ersatzschule steht nicht deshalb im Sinne von Artikel 7 Absatz 4 Satz 3 Grundgesetz in ihren Lehrzielen hinter öffentlichen Schulen zurück, weil sie keinen Religionsunterricht anbietet“ – gemeint ist damit „Religionsunterricht“ in Übereinstimmung mit den Grundsätzen und unter der Kontrolle der evangelischen Landeskirche (z.B. Pflicht zur Vokation!).
Zusätzlich hat das Gericht die zitierte Feststellung damit abgesichert, dass Ersatzschulen „die Erfüllung weiterer als der in Artikel 7 Absatz 4 Satz 3 Grundgesetz aufgeführten schulbezogenen Genehmigungsvoraussetzungen“ „weder durch das Landesrecht noch durch eine bestimmte Ausgestaltung der schulbehördlichen Genehmigungspraxis abverlangt werden“ darf.
Abgestützt hat es sich hierbei auf zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts von 1969 und 1987: „Der dem staatlichen Einfluss entzogene Bereich ist dadurch gekennzeichnet, dass in der Privatschule ein eigenverantwortlich geprägter und gestalteter Unterricht erteilt wird, insbesondere soweit er die Erziehungsziele, die weltanschauliche Basis, die Lehrmethode und die Lehrinhalte betrifft.“
Religionsunterricht nicht erforderlich – dagegen Pflicht zur „Durchdringung“ aller Fächer mit ethischen Fragen!
Der Beschluss von 2019 billigt freien Schulen für die Organisation des Religionsunterrichts große Gestaltungsfreiheit zu: „Für das verfassungsrechtlich erforderliche Minimum an schulisch betriebener Wertevermittlung bedarf es weder des Religionsunterrichts noch überhaupt eines gesonderten Unterrichtsfachs. Für die Behandlung ethischer Fragen eignen sich vielmehr auch andere Fächer wie etwa Deutsch oder Gemeinschaftskunde.“
Ausdrücklich darauf hingewiesen hat das Gericht, dass sein Beschluss aufgrund des Streitgegenstandes nur für Genehmigungsverfahren gilt und nicht automatisch auch für die Anerkennung von Bekenntnisschulen. Deshalb hat das (im Prozess unterlegene) Kultusministerium von Baden-Württemberg prompt auf den Beschluss reagiert: „Hiervon zu trennen ist die Frage der Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule, mit der die Schule das Recht erhält, nach den allgemein für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften Prüfungen abzuhalten und Zeugnisse zu erteilen“, und verfügt für Baden-Württemberg: „Von anerkannten Ersatzschulen ist weiterhin das Anbieten und Abhalten von Religionsunterricht zu fordern.“4
Ob das rechtens ist, bezweifeln nicht nur wir – das Bundesverfassungsgericht wird in einigen Jahren darüber abschließend urteilen!
Christliche Bekenntnisschulen haben in Deutschland ein wunderbares rechtliches Fundament
Wir können nicht dankbar genug für diese Rechtsgrundlagen christlicher Bekenntnisschulen sein, wie wir sie in Deutschland genießen und um die wir von christlichen Schulen selbst in unseren unmittelbaren Nachbarländern beneidet werden.
Wir haben deshalb auch die Pflicht, als gute Verwalter nicht allein um diese Grundlagen zu wissen, sondern den Nutzen gerade auch für stürmischere Jahre zu erkennen. Es bedeutet vor allem, das rechtlich geforderte geistliche Fundament unserer Schulen in den Blick zu nehmen und umfassend für den Alltag (Verwaltung und Pädagogik) zu nutzen.
Es geht dabei nicht um irgendein „Organisieren“, um rechtlichen Anforderungen notdürftig zu genügen. Nein, es geht, ganz im Sinne der Schulgründer und unserem geistlichen Anliegen folgend, darum, die geforderte Bekenntnisgemeinschaft und die ja von uns gewollte bekenntnismäßige Durchdringung des Unterrichts und des Schulalltages so umzusetzen, dass unsere Schulen – Gottes Schulen – auf Dauer gut arbeiten können.
19. Februar 2022
Prof. Dr. Wolfgang Stock
[1] Seither hat es aber erfolgreiche Gründungen islamischer Schulen gegeben.
[2] Das komplizierte Zitat aus dem Urteil lautet: „Damit schließt Artikel 7 Absatz 4 Satz 3 Grundgesetz ein derartiges Erziehungsziel bei einer privaten Bekenntnisschule nicht nur nicht aus, sondern setzt es umgekehrt als selbstverständlich und somit zulässig voraus.“ (Hier darf keines der zwei „nicht“ weggelassen werden, wie das – die Aussage in sein Gegenteil verkehrend – in der juristischen Literatur leider schon vorgekommen ist).
[3] „Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt.“